Körperweisheit und Integration: Die Synergie von Yogatherapie und Somatic Experiencing in der Traumatherapie
„Der Körper hält die Erinnerung fest. Der Weg zur Heilung führt über den Körper.“ (Bessel van der Kolk)
Trauma ist keine rein psychische Wunde – es hinterlässt Spuren im ganzen Organismus. Der Körper speichert, was das Bewusstsein oft nicht in Worte fassen kann.
Genau hier setzen Yogatherapie und Somatic Experiencing (SE) an: zwei körperorientierte Methoden, die sich auf wunderbare Weise ergänzen.
Ihre Kombination eröffnet einen tiefgreifenden, integrativen Weg der Heilung.
Trauma verstehen – Körper als Speicher
Ein Trauma entsteht dann, wenn ein belastendes Ereignis unser Nervensystem überfordert und die natürliche Reaktion auf Bedrohung – Flucht, Kampf oder Erstarren – nicht vollendet werden kann.
Diese gebundene Energie bleibt im Körper zurück. Betroffene erleben oft chronische Anspannung, Dissoziation, körperliche Beschwerden oder ein anhaltendes Gefühl von innerer Unruhe.
„Trauma ist nicht das, was uns passiert, sondern das, was wir in Abwesenheit eines einfühlsamen Zeugen in uns tragen.“ (Peter Levine)
Somatic Experiencing: Der Körper darf zu Ende reagieren
Somatic Experiencing, entwickelt von Dr. Peter Levine, ist ein körpertherapeutischer Ansatz, der genau hier ansetzt.
Nicht das traumatische Ereignis selbst wird in den Mittelpunkt gestellt, sondern die körperliche Reaktion darauf.
Durch fein dosierte Impulse – das sogenannte Titration – und das Hin- und Herpendeln zwischen Belastung und Ressource (Pendulation), wird das Nervensystem eingeladen, gebundene Energie behutsam zu entladen.
Zittern, Bewegung, Atemveränderungen – all das sind Ausdrucksformen einer inneren Vervollständigung der Schutzreaktion.
SE arbeitet nicht mit Geschichten, sondern mit Empfindungen. Der Körper wird wieder zum Verbündeten, zur Quelle von Selbstregulation, Sicherheit und Lebendigkeit.
Yogatherapie: Achtsame Bewegung als Ressource
Yogatherapie bietet einen parallelen und komplementären Zugang.
Durch langsame, bewusste Bewegungen, Atemlenkung und Körperwahrnehmung wird das vegetative Nervensystem reguliert.
Der Fokus liegt nicht auf Dehnung oder Form, sondern auf der Erfahrung im Moment.
Yogatherapie stärkt das interozeptive Erleben – also die Fähigkeit, innere Zustände differenziert wahrzunehmen. Das ist eine zentrale Ressource in der Traumabewältigung.
„Wenn du deinen Körper berührst mit Achtsamkeit, berührst du auch dein Herz.“ (Thich Nhat Hanh)
Zudem schafft die Matte einen sicheren Raum, in dem Kontrolle, Selbstbestimmung und Präsenz geübt werden können – oft zum ersten Mal seit dem traumatischen Erlebnis.
Gemeinsamer Kern: Selbstregulation, Präsenz und Integration
Beide Methoden – SE und Yogatherapie – arbeiten mit der Weisheit des Körpers.
Sie respektieren das Tempo des Nervensystems und bauen Sicherheit auf, bevor sie sich schwierigen Inhalten nähern.
In Kombination entsteht ein heilsames Feld:
- Yogatherapie schafft Stabilität, Körperkontakt und Ressourcen, die in SE-Sitzungen genutzt werden können.
- SE wiederum kann Prozesse aufgreifen, die in der Körperarbeit angestoßen wurden, und ihnen raumgebende Begleitung bieten.
- Beide fördern Trauma-Integration ohne Überforderung – durch Achtsamkeit, Feinfühligkeit und somatische Präsenz.
Für wen ist dieser Weg geeignet?
Die Synergie beider Ansätze eignet sich besonders für Menschen, die sich vom rein gesprächsbasierten Ansatz nicht abgeholt fühlen, unter körperlichen Symptomen leiden oder das Bedürfnis haben, sich ganzheitlich – mit Körper, Geist und Seele – zu heilen.
Fazit:
Somatic Experiencing und Yogatherapie sprechen dieselbe Sprache – die des Körpers.
Während SE den Weg über feinste somatische Impulse geht, nutzt die Yogatherapie Struktur, Bewegung und Atem.
Gemeinsam schaffen sie einen Raum, in dem nicht nur überlebt, sondern wirklich gelebt werden darf – verbunden, reguliert, ganz.
